Blumenkinder

Das Licht am frühen Morgen ist noch gedämpft und er kann über den Rand der Zeitung bis weit ans Ende des Strandes blicken. Im Bilderbuch liest er einen Artikel über Tote im Kriegsgebiet.Der Strand ist irgendwie auch ein Kriegsgebiet, denkt er. Er muss auch an seinen Freund denken, der nicht im Krieg, sondern kurz danach, ganz zufällig, gestorben ist.Dann dreht er sich auf die Seite und ist wieder ein anderer. Er betrachtet die Sandburg, die sie gebaut hat und hätte er in jener Nacht seine Frau nicht geliebt, so würde hier vielleicht keine Sandburg stehen. Er denkt, wie schön es doch ist, einmal Urlaub zu machen.Seine Finger streicheln den Sand und er denkt an etwas Schönes und an Wände und an Blumen.

Krokodil

Ein Vater hält sich an einer Stange in einer U-Bahn fest. Seine Tochter liegt im Kinderwagen. Er überlegt, ob er nicht auch freihändig stehen könnte und so irgendwie souveräner aussehen würde. Der Vater schaut sich um und da entdeckt er hinter sich eine Frau. Ihre Arme sind übersät mit Einstichen, ihre Finger schneeweiß und im Gesicht hat sie saftige Wunden. Sie schaut ihn an und bewegt sich auf ihn zu. Sie macht das langsam. Der Vater bekommt es mit der Angst zu tun. Das ist kein Mensch mehr, sondern ein monströses Krokodil, denkt er. Er fürchtet, dass er es schlagen würde, aber dann denkt er, dass es vielleicht irgendeine Krankheit hat und dass er es, wenn es seinem Kind zu nahe kommt, treten wird. Er beobachtet die Frau. Aber sie nimmt keine Notiz von ihm, sondern starrt jetzt seine kleine Tochter an und bewegt sich auf den Kinderwagen zu. Dann öffnet sich die Tür. Es ist die Station, wo er aussteigen muss und zum Glück muss er nicht noch eine weitere Station fahren und zum Glück ist das widerliche Monster noch weit genug weg. Er betritt festen Boden und nach ein paar Schritten und den Blicken seiner Tochter folgend dreht er sich um. Das Monster hat seine Nase gegen die Fensterscheibe gepresst und schaut seiner Tochter nach. Das Monster scheint Tränen in den Augen zu haben, aber sicher ist er sich nicht. Er fühlt sich merkwürdig glücklich, geht zum Ausgang der Station, in seinem Schatten fährt die U-Bahn mit dem Monster weiter und er denkt, dass jetzt alles wieder gut ist.

Geisterserie

Ein Künstler macht Kunst. Das ist seine Arbeit. „Schnucki“, ich brauche eine Pause von der Kunst, aber ich will keine Pause machen. Ich glaube, ich mache jetzt einmal Bilder für dich. Eine Serie über dich und für dich. Du schaust mich so an. Ich denke an alles und an morgen, aber heute ist heute. Ich mache ein Portrait, „du Monster“ und rufe: „WHUAAAAAA!“ und du sagst „Luna“, dann Tiere und eine Skulptur aus weißem Marmor und du magst Elefanten, ich male einen Elefanten und den „Luna“ am Himmel, aber heute „no hay luna“ am Himmel, weil die Wolken alles verdecken. „Lass mich jetzt in Ruhe, ich will malen, das ist Papas Arbeit!“ Du machst „ffff“, „ffff“ und du pustest und „Alles wieder gut!“ Jetzt gehen wir noch einkaufen und kaufen „Wurschti“ und ich mache eine Malpause und Pause von der Kunst und alle machen Kunst und wenn ich nachhause komme, rufst du „Papa“, weil ich den ganzen Tag nicht da war. Dann muss ich wieder spielen und du bist so wild, dass mir ganz heiß wird ums Herz und dann wieder „blaaa wahhhhhh“ und so viele Wörter, aber wenn du so laut bist, dann ist es still und wenn ich male, ist es still, und es ist ruhig, Ruhe, Frieden, wir sind einsam, aber zu zweit und wir sind glücklich.